USA 3: Klimamonster

Ein arbeitsreicher Tag geht zu Ende: einer mit Workshop und Konzert. Und da dem Autor dieser Zeilen auffiel, dass es an dieser Stelle gar nicht so oft Bilder von solchen Workshops gibt, holt er dies jetzt einfach nach. Was passiert denn da eigentlich? Calmus singt ein wenig, erzählt ein wenig, und wenn es besonders schön läuft, dann werden aus den singenden Reisenden plötzlich hörende Hinweisgeber – sprich: die anwesenden Schüler bilden einen Chor (bzw. sie sind sowieso einer), singen aus ihrem Repertoire, und Calmus kann dann bestenfalls mit Rat zur Seite stehen und vielleicht ein wenig zur Verbesserung beitragen. (Das ist übrigens in den USA gar nicht unbedingt einfach, denn auch die Schulchöre sind hier oft ausgesprochen gut!) Und manchmal übernimmt Calmus auch das Einsingen des Chores. So sieht das dann aus:

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Und schließlich ist das Einsingen vorbei, und es wird an Werken von Palestrina gearbeitet.

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Und schon ist die kleine Fotogalerie schon wieder vorbei – schließlich kann ja nicht nur fotografiert werden, sondern es möchte sich auch um die Schüler gekümmert werden.

Anschließend nach kurzem Zwischenstopp im Hotel dann in die Kirche. Dort begegnet dem Autor dieser Zeilen ein Schild am Thermostaten der Garderobe, das ihm zu denken gibt. Ist das eine böse Vorahnung? In den USA sind Klimaanlagen ja auch in den kleinsten Kammern üblich; große Kirchen kommen ohne schon gar nicht aus. Das werden ja, so denkt man, ausgeklügelte Anlagen sein, befähigt, jeden Raum nach Gusto der Insassen Bewohner Raumnutzer zu wärmen oder zu kühlen! Und eine Kirche hat ja nicht nur den einen Kirchenraum, sondern ganz viele Aufenthalts-, Musik-, Gebets-, Teeküchen-, Gemeinde- und Büroräume obendrein. Was also soll man davon halten?

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„Bitte stellen Sie das Thermostat nicht unter 70° F (=21°C). Das Klimaanlagensystem in diesem Gebäude arbeitet etwas anders, und eine Einstellung unter 70°F führt zu Problemen in anderen Räumen.“

Ah ja. Was genau bedeutet denn „Es arbeitet anders“? Nun, man legt die Jacke ab und betritt mit den Noten das Kirchenschiff, um in Ruhe die Probe zu beginnen. In Ruhe? Nein, ganz und gar nicht! Was der Autor zunächst für einen parkenden LKW mit laufendem Motor hält, entpuppt sich als die laufende Klimaanlage. Ein wirklich tosender Lärm aus einem monströs großen Gebläseapparat! – Also versucht man die ersten Töne und stellt schnell fest: Für das Konzert muss das Ding auf jeden Fall aus (das war schon vorher klar), aber auch zur Probe, denn Ensemblesingen (das hatte man erst vor wenigen Stunden erst den Schülern erklärt) ist zu 90% Hören, und das ist einfach nicht wirklich möglich. Mit der Bitte um Abschaltung tritt man nun an eine der zuständigen Personen heran. Die wundert sich tatsächlich ein wenig, was auf Seiten der Sänger die Frage aufkommen lässt, wie denn hier wohl die Gottesdienste ablaufen, wenn dieses Gebrüll von Frischluft jeden Segen förmlich unter sich begräbt? Nun, wie auch immer: Das Klimamonster wird also abgeschaltet.

Und dann hört man ein Rauschen. Es könnte ein Staubsauger sein! Ist es aber nicht, wie sich herausstellt, nachdem man die Tür zu den Kirchenvorräumen geschlossen hat, ohne eine Änderung zu erreichen. Das Problem: Das Rauschen hat eine genaue Tonhöhe! Man hört ein f‘: ein wenig tiefer als das der Stimmpfeife, und ein wenig lauter als die eigene Ignoranzschwelle – das heißt, man kann es nicht überhören, und beim Singen stört es daher ungemein, da das Ensemble mitunter auch in Tonarten singt, in denen dieser Ton nicht enthalten sein sollte. – Wieder also fragt man nach, ob dieser Ton vielleicht auch noch abgeschaltet werden könne. Natürlich, sie tun ihr möglichstes.

Die Probe schreitet voran, und mit ihr die Verzweiflung – man hat gewissermaßen einen externen Tinnitus. Immerhin: Alle haben den gleichen! Nach etwa 20 Minuten nervöse Nachfrage, ob sich da was machen ließe? Vielleicht auch demnächst? Ja natürlich, sie arbeiten dran, wird erklärt: Der fiese Ton sei ein Lüfter, der die Klimaanlage kühlt (!) und der auch an sei, wenn sie aus ist (!!!). Bereits vorher war den Sängern aufgefallen, dass die Angestellten auf der Suche nach dem Ausschalter eigentlich durchgängig telefonierten – offensichtlich kommt der Fall tatsächlich sonst nie vor, dass das jemanden stört…

Und dann plötzlich: Stille. Frieden. Einkehr. Balsam auf Trommelfell und Seele.

Und so wurde es am Ende tatsächlich noch ein richtig schönes Konzert.

Morgen geht es dann nach Iowa – sechs Stunden Autofahrt warten auf die Sänger. Und vermutlich keine einzige Kurve…

PS.: Der Autor dieser Zeilen ist im Übrigen stolz, vermelden zu können, dass er eine Wiederkehr des Schicksals von 2010 abwenden konnte: Trotz des gleichen Hotels im gleichen Ort wie damals wurde er zwar damals krank, nicht aber diesmal! Die Namensänderung der Unterkunft scheint also tatsächlich etwas bewirkt zu haben.